Chronik Teil 2

Chronik Teil 2

1946 – 1977

  Nach Beendigung des 2. Weltkrieges regten sich bald in der Trümmerstadt Kassel auch auf kulturellem Gebiet neue Kräfte. Die vor dem Krieg in der Nordstadt beheimatete weitere gute Laienbühne („Volksbühnenspiele 1927“) ergriff als einzige die Initiative und ließ das Theaterspiel wieder aufleben. Auch die Reihen dieser Laienbühne waren, bedingt durch den Krieg, stark gelichtet, und man beschloss, sich mit dem ehemaligen Wehlheider Hoftheater zusammenzutun. Man erhielt zwar durch die Militärregierung die Lizenz zum Spielen, allerdings wurde diese Erlaubnis nur mit der Einschränkung erteilt, dass der Name „Wehlheider Hoftheater“ nicht erscheinen dürfe.  Die Arbeit der beiden Bühnen begann unter dem Namen „Volksbühne Kassel“ und unter der Schirmherrschaft des „Deutschen Gewerkschaftsbundes“ in der damaligen Montgomery-Hall (die spätere Henschelhalle), und es kam zu einem langsamen, aber stetigen Aufstieg. Die Besucherzahl stieg wieder rapide, nachdem man in dem ehemaligen Berufsschauspieler Kurt Maedicke einen ausgezeichneten Regisseur und in dem Innenarchitekten Willy Laurisch einen guten Bühnenbildner gefunden hatte. Die Henschelhalle fasste ca. 800 Personen. An zwei Abenden im Monat wurde vor ausverkauftem Haus gespielt. Der Reinertrag fiel zum Teil dem Gewerkschaftsbund zu. Hauptsächlich gab man damals Schwänke, Lustspiele und Operetten.

   Im Jahre 1947 fand eine Neuwahl des Vorstandes statt, bei der Willy Laurisch 1. Vorsitzender wurde. Der nach dem Krieg zurückgekehrte Willy Schmidt, der seit 1911 maßgeblich an der Entwicklung des Wehlheider Hoftheaters beteiligt war und im Jahre 1961 sein 50-jähriges Spielleiterjubiläum begehen konnte, unterstützte mit seiner reichen Erfahrung – sein Spitzname war der „Wehlheider Max Reinhardt“ – die Arbeit der Bühne. Doch die Ära „Henschelhalle“, fast zehn Jahre bestehend, sollte bald zu Ende gehen. Inzwischen musste noch eine Namensänderung der Bühne vorgenommen werden, auf Wunsch der „Kasseler Volksbühne e.V.“. Die im Jahre 1933 verbotene Besucherorganisation sollte wieder entstehen. Damit nicht zwei verschiedene Organisationen den gleichen Namen trugen, einigte man sich auf den Namen „Volksbühnenspiel Kassel“. Aus gesundheitlichen Gründen legte Willy Laurisch sein Amt als 1. Vorsitzender nieder und wurde für seine Verdienste während seiner Amtsperiode zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Sein Amt übernahm August Heinemann.

   Die Henschelhalle stand nun auch nicht mehr länger zur Verfügung, da die Firma Henschel dieses Gebäude als Lehrlingswerkstätte benötigte. Vorübergehend waren die Kulturhalle Niedervellmar, die provisorische Bühne des damaligen Amerikahauses (Murhardsaal) oder die Turnhalle der Kirchditmolder Schule Aufführungsplätze. Wegen dienstlicher Überbeanspruchung des 1. Vorsitzenden August Heinemann war vorübergehend Helmut Noack Vereinsleiter, bis Fritz Schwarz endgültig zum 1. Vorsitzenden ernannt wurde. Der Reinerlös der Aufführungen fiel wohltätigen Zwecken zu, so z.B. für den Verband der Kriegsbeschädigten und die Arbeiterwohlfahrt. Durch das Fehlen eines ständigen Saales und dem damit verbundenen längerem Pausieren beim Spielen kam es zu einer Interesselosigkeit bei den Mitgliedern, wozu bei vielen noch eine starke berufliche Inanspruchnahme kam. So wurde der Kreis der Aktiven immer kleiner. Einige Unentwegte, die es nicht glauben konnten, dass das Volksbühnenspiel wieder einschlafen sollte, trafen sich regelmäßig im verwaisten Probelokal (es waren meist nur vier Personen), um den Kontakt aufrechtzuerhalten. Besonders durch den langjährigen Kassierer Walter Böhle, der immer wieder die anderen ermutigte, konnten einige von den alten Mitgliedern neu interessiert werden und neue Mitglieder angeworben werden. Endlich gelang es durch die Initiative des 1. Vorsitzenden Fritz Schwarz, Verbindung mit dem Direktor der Heinrich-Schütz-Schule, Pröbsting, aufzunehmen, durch dessen Entgegenkommen der Bühne ein neues Wirkungsfeld in der Aula der Schule gegeben wurde. Nach dem frühen Ableben des Vorsitzenden Fritz Schwarz im Jahre 1957 übernahm Ernst-August Reich die Leitung der Bühne. Seit 1975 lag dann die Leitung in den Händen von Wilfried Leppkes. Langjähriger Spielleiter war Eberhard Horn. Unter diesem Vorstand sind die traditionsreichen Gastspiele im Landkreis weitergeführt worden. Auch aus Anlass des Hessentages 1978 in Hofgeismar fanden Aufführungen von „Schneewittchen“ auf der Sababurg statt. Mit „Die Rose“ von Rösler (1976) und „Viel Staub um Eva“ von Goetz (1977) wirkte das Wehlheider Hoftheater an Innenstadtbelebungen und dem Lichterfest in Wilhelmshöhe mit. Der 1. Vorsitzende Wilfried Leppkes stellte in seiner Amtszeit immer den alten Namen „Wehlheider Hoftheater“ in den Vordergrund, und so darf sich das Theater nun endlich wieder „Casseler Volksbühnenspiele 1911 e.V.  Wehlheider Hoftheater“ nennen.

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